10.06.2020
Politik plant umfassende Anpassungen bei Selektivverträgen
An den Regeln für die selektivvertragliche Versorgung sind umfassende Änderungen geplant. Das geht aus Formulierungshilfen für fachfremde Änderungsanträge zum Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (GKV-IPReG) hervor, die u.a. dem Deutschen Ärzteblatt vorliegen. Daneben geht es um die Förderung von Hebammenstellen und den Medizinischen Dienst (MD).
Die beiden Änderungsblöcke gehen auch auf Anliegen des Bundesrates zurück, der sich Mitte Mai in seiner Stellungnahme zum Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz für entsprechende Anpassungen ausgesprochen hatte. Durch die Änderungen der Paragrafen 63, 137g, 140a des Sozialgesetzbuches V (SGB V) sollen „bestehende Reformbedarfe“ im Bereich der selektivvertraglichen Versorgung umgesetzt werden, so heißt es in der Begründung der Formulierungshilfe.
Möglichkeit der Verträge mit nichtärztlichen Leistungserbringern schaffen
Es soll demnach eine rechtssichere Klarstellung erfolgen, dass Krankenkassen Selektivverträge auch gemeinsam abschließen oder bestehenden Verträgen beitreten können und regionale Versorgungsinnovationen ausdrücklich gestattet sind. Zudem sollen besondere Versorgungsaufträge auch mit nichtärztlichen Leistungserbringern abgeschlossen werden können. Das ist bislang nur mit Ärzten in der vertragsärztlichen Versorgung möglich.
Die Erweiterung soll allerdings nur innerhalb des jeweiligen Versorgungssektors unter Beteiligung der dazu berechtigten Leitungserbringer gelten. Es würde also keine Abweichung etwa vom ärztlichen Verordnungsvorbehalt, von dem Zulassungs-, Ermächtigungs- oder Berechtigungsstatus oder den berufsrechtlichen Bestimmungen der jeweiligen Leistungserbringer bedeuten.
Änderungen bei der Wirtschaftlichkeit der besonderen Versorgung
Geplant ist auch, die bislang geltende Regelung zu streichen, wonach die Wirtschaftlichkeit der besonderen Versorgung spätestens nach vier Jahren nachweisbar sein muss und die Aufsichtsbehörde auch ohne konkreten Hinweis auf einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechende Nachweise verlangen kann. Für die Kontrolle der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots bei Selektivverträgen sei eine Aufsicht nach den allgemeinen aufsichtsrechtlichen Regeln ausreichend. Weiterhin soll eine die verschiedenen Sozialversicherungszweige übergreifende Versorgung ermöglicht werden – dies ist bislang nur für die Pflegeversicherung vorgesehen.
Durch Schaffung der Möglichkeit, auch andere Sozialversicherungszweige, andere Sozialleistungsträger oder sonstige Träger der Daseinsvorsorge sowie die in diesen Bereichen tätige Versorgungseinrichtungen einzubeziehen, könnten beispielsweise Versorgungsansätze zur Lösung von Problemen beim Übergang von der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in andere gesundheitsbezogene Leistungsbereiche – zum Beispiel gemeinsame Projekte mit den verschiedenen Rehabilitationsträgern und -einrichtungen – vereinbart werden.
Die Formulierungshilfe sieht ebenfalls vor, die Beteiligung der privaten Kranken- und Pflegeversicherungen an besonderen Versorgungsformen der Krankenkassen, die neben den gesetzlich Versicherten auch für privat Versicherte zugänglich sind, zu ermöglichen. Mit Hilfe einer entsprechenden gesetzlichen Klarstellung soll zudem sichergestellt werden, dass digitale Versorgungsinnovationen im Rahmen selektivvertraglicher Versorgungformen eingebunden werden können.
Altverträge bis 2021 umwandeln
Darüber hinaus soll gelten: Altverträge, die nach den Paragrafen 73a, 73c und 140a SGB V in der bis 2015 geltenden Gesetzesfassung geschlossen wurden, sollen spätestens 2021 in „neue“ 140a-Verträge umgewandelt werden müssen. Das „Nebeneinander gleichartiger Versorgungsverträge auf verschiedener bzw. überkommender Rechtsgrundlage“ sei dauerhaft nicht gerechtfertigt, so die Begründung. Bezüglich der MD soll das starre Verbot einer Drittmittelfinanzierung zu mehr als zehn Prozent durch Dritte, die Leistungen für die gesetzliche Krankenversicherung oder für die soziale Pflegeversicherung erbringen, für Vertreter im MD-Verwaltungsrat aufgehoben werden.
Dadurch würde Angestellten aus Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegediensten eine rechtskonforme Beteiligung in den Gremien ermöglicht – die Besetzung der Verwaltungsräte wurde erst mit dem Ende 2019 beschlossenen MDK-Reformgesetz neu geregelt. Für die Vertreter, die auf Vorschlag der Patienten- und Pflegebedürftigenorganisationen benannt werden, soll das Verbot allerdings weiterhin gelten. Mit den Anträgen will sich der Gesundheitsausschuss des Bundestages im Rahmen einer öffentlichen Anhörung zum Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz am 17. Juni befassen. Der Gesetzentwurf ist bereits stark überarbeitet worden. An der ersten, im August 2019 vorgelegten Fassung hatte es für die geplanten Regelungen im Bereich der außerklinischen Intensivpflege viel Kritik gegeben.
Quelle: Ärzteblatt, 08.06.2020